Meine erste Fahrradreise ins Ausland, natürlich noch ohne Fahrradcomputer, ist mir nur noch in Fragmenten im Gedächtnis. Im Sommer 1977 – ich war 16 Jahre alt – bin ich mit einem Freund mit dem Rad von Langenfeld im Rheinland über die Eifel, Luxemburg und Reims nach Paris geradelt, dann weiter über Troyes, Vittel, Épinal, Basel, Konstanz, München nach Mauerkirchen in Österreich. Dort war meine Freundin im Ferienlager – leider hatte sie inzwischen jemand anderen gefunden… Fahrradfahren führt also nicht immer ins Glück.
Da mein Vater Pächter einer Tankstelle war, hatte er uns vorab mit einem Kartenpaket ausgestattet: Für Deutschland noch im Maßstab von 1:400 000, für Österreich und Frankreich musste dann je eine Länderkarte reichen, denn Fahrradcomputer gab es noch lange nicht. Heute würde ich mich mit so einem Kartenset nicht mehr vor die Tür wagen, aber damals galt das als solide Ausstattung!
In den Großstädten orientierten wir uns auf der denkwürdigen Reise eher nach der Sonne, sprich der Himmelsrichtung, und an markanten Wahrzeichen: Hatte man den Eiffelturm vor Augen, wussten wir, dass wir uns dem Pariser Zentrum näherten. Hatten wir den Turm im Rücken, verließen wir zielgerichtet Paris; wenn dann noch nachmittags die Sonne ebenfalls im Rücken stand, radelten wir richtigerweise nach Osten, Richtung Deutschland. Dass wir uns permanent verfuhren, war normal und sorgte kaum für Unmut, wir kannten es ja nicht besser. Unzählige Male standen wir an einer Autobahnauffahrt und mussten wieder umkehren. Die Ausschilderung war eben komplett für den Kraftfahrzeugverkehr konzipiert und ist es im Grunde ja heute noch.
Aber nicht die unzureichenden Karten, die Sonne, der Kompass oder Straßenschilder waren unser Hauptnavigationsgerät, sondern Fragen, Fragen, Fragen. Das war unser bestes Instrument, um in unbekanntem Terrain von A nach B zu kommen oder eine Adresse zu finden. Man könnte meinen, dass das Fragen und unsere Vorstellungskraft früher unser Fahrradcomputer war. Schnell lernten wir damals auch, wer Ahnung hat und wer nicht: Tankstellenbetreiber, Taxifahrer, Polizei und Feuerwehr wussten immer den richtigen Weg, alte Männer am Wegesrand eher nicht. Frauen, die vom Einkaufen kamen, wussten natürlich, wo die nächste Bäckerei ist, aber leider nicht immer, wo ein Fahrradladen ist. Die Einheimischen und Reisende zu befragen – heute würde man vielleicht neudeutsch von „navigation with a human touch“ sprechen –, war dann auch Jahrzehnte lang die beste Strategie, mehr oder weniger zielführend durch die Welt zu radeln.
1983/1984 radelten wir zu zweit von Feuerland über Alaska nach New York. In den 90ern war ich alleine mit dem Velo drei Monate in Argentinien, Paraguay, Brasilien und Uruguay unterwegs – und ein paar Jahre später radelten wir dann noch mal zu dritt ein halbes Jahr durch ganz Südamerika. Das Kartenmaterial war eher mau, aber so viele Straßen gab es damals auch nicht…
Und früher war es normal, auf großen Straßen zu radeln. Bei Nebenstraßen wusste man ja nie, wo diese hinführten. Hätten wir damals schon gewusst, dass wir mal mithilfe der Fahrradcomputer solch schöne und verborgene Ecken entdecken würden … Radwege gab es kaum, eine Ausschilderung für den Radverkehr? Fehlanzeige. Ob Bundesstraßen, routes nationales, la carretera panamericana oder U.S. Interstate 95 … wir teilten uns die Straße mit dem Auto- und auch Schwerlastverkehr. Nur Holland hatte schon sehr früh ein mustergültiges Radwegesystem und eine separate Ausschilderung für Radfahrende. Bis heute sind die Niederlande Vorbild für gute und sichere Fahrradinfrastruktur weltweit. Das im Jahr 1995 für den Radverkehr eingeführte geniale Knotenpunktsystem wird jetzt auch endlich bei uns in Nordrhein-Westfalen aufgebaut. „Radeln nach Zahlen“ – mit diesem System kannst du tatsächlich auf Karten oder Fahrradcomputer verzichten.
Meine erste große Fahrradreise mit meiner Frau führte uns im Spätsommer 2008 von Vancouver in Kanada nach Los Angeles, über Washington State, Oregon und San Francisco. Auf dieser wunderbaren Reise hatten wir detaillierte Fahrradkarten der „Adventure Cycling Association“ dabei, gute Fahrradkarten, die heute neben dem Fahrradcomputer trotzdem weiterhin aufgelegt werden. Aber wir hatten auch schon einen kleinen Laptop dabei, auf dem wir abends Google-Maps studierten, um den nächsten Tag zu planen und vielleicht mal ein Motel im Voraus zu buchen. Der erste Schritt Richtung Fahrradcomputer war gemacht.
Mit der Aufnahme meiner professionellen Tätigkeit als Radreiseleiter in 2010 rüstete ich weiter digital auf und kaufte meinen ersten Fahrradcomputer, ein Garmin GPSmap 60CSx. Eher aus Neugier; war ich doch weiterhin überzeugt, dass ich mit detaillierten Straßenkarten und Fahrradkarten mindestens genauso gut oder besser weiterhin zurechtkommen würde.
Diese Auffassung hat sich aber bei mir grundlegend geändert. Eine Radtour – selbst ein kleiner Tagesausflug – ohne Fahrradcomputer am Lenker ist für mich heute undenkbar. Die kleinen Straßen, Wege und Pfade, die ich bei Fahrradreisen bei Launer Reisen auch mit den Gästen fahre, würde ich auf einer normalen Karte gar nicht finden. Aber diese Strecken sind genau das Salz in der Suppe bei einer Radtour. Keiner möchte auf einer vielbefahrenen strada statale in Italien radeln, lieber abseits, auf kleinen, wenig befahrenen Straßen, und dann noch mit schönen Blicken auf das Meer. Das ist mit den Fahrradcomputer jetzt möglich. Aber natürlich habe ich auch Papierkarten immer dabei, allein schon für den Überblick. Auf einer Landkarte zeige ich gerne meinen Gästen unseren Reiseverlauf.
Zugegeben: Ein Einstieg in Satellitennavigation mit den Fahrradcomputern war und ist bis heute nicht ganz einfach. Die Benutzerfreundlichkeit z.B. der Garmin Fahrrad- oder Outdoor-Fahrradcomputer ist nach meiner Einschätzung äußerst suboptimal. Leider scheitern viele an der Bedienung und legen das Gerät dann enttäuscht in die Schublade. Nahezu jeder kann ein Navi im Auto bedienen und benutzen – warum das bei einem Fahrradcomputer nicht auch so einfach möglich ist, bleibt mir ein Geheimnis.
Lasse Dich davon aber nicht abschrecken. Mit etwas Erfahrung und Übung im Umgang mit dem Fahrradcomputer in der Praxis – die Bedienungsanleitung alleine wird nicht reichen – ist ein gutes Fahrradnavigationsgerät ein großer Mehrwert für uns Radfahrende. Oder erkundige dich durch zahlreiche Fahrrad Computer Tests, die im Internet oder Fachzeitschriften publiziert werden.
Fahrradcomputer oder Navi – was denn nun?
Die Begriffe „Fahrradcomputer“ und „Fahrrad-Navigationsgerät“ werden nicht trennscharf verwendet, da beide Geräte viele Funktionen gemeinsam haben.
Fahrradcomputer sind im engeren Sinn moderne elektronische Fahrradtachometer, die neben Geschwindigkeit und Kilometer noch vieles, vieles mehr anzeigen und messen können und in erster Linie der Trainingssteuerung dienen.
Erinnerst du dich noch an die alten Fahrradtachos? Man war ein Held, wenn man so ein Teil sein Eigen nennen durfte. VDO oder Huret – Huret war Pflicht an einen Peugeot Rennrad – waren die führenden Hersteller, aber es gab auch andere Marken.
Der mechanische Tacho war mit der biegsamen Tachowelle mit dem sogenannten Aufnehmer verbunden. Dieser wurde an die Vorderradachse gesteckt und maß die Umdrehungsfrequenz des Rades. Auch gab es einfache Kilometerzähler, die an der Radgabel befestigt waren. Ein kleiner Stift an der sich drehenden Speiche bewegte dann bei jeder Umdrehung ein Rädchen am Zähler; damit wurden dann die Kilometer addiert. Ein echter Hingucker war der eingebaute Fahrradtacho in der Vorderradlampe.
Bei unserer ersten Radreise durch die Alpen flog uns direkt bei der ersten Abfahrt die Tachowelle um die Ohren, weil wir mit deutlich höherer Geschwindigkeit die Berge runter donnerten als mit den maximal möglichen 70 Stundenkilometern auf dem Tacho. Und sehr genau waren die Dinger auch nicht, teilweise konnte man den Radumfang nicht individuell einstellen.
Ein heutiger Fahrradcomputer haben neben Standardfunktionen – je nach Preislage – noch zahlreiche weitere Funktionen. Diese sind total praktisch auf längeren Radtouren, wie zum Beispiel auf der Jakobsweg Reise. Teilweise müssen dafür aber zusätzliche Sensoren am Fahrrad oder am Körper angebracht werden. Diese Sensoren übermitteln dann per Funk diese Daten an den Fahrradcomputer. Gängige Zusatzfunktionen sind Trittfrequenz, Höhenmessung, Temperatur, Steigungswinkel, Herzfrequenz und Wettervorhersagen. Durch Verbindung mit dem Internet werden höchstwahrscheinlich künftig noch unzählige weitere Funktion hinzukommen. Durch Datenübertragung auf den eigenen Computer und das Smartphone gibt es unglaubliche Möglichkeiten, ein individuelles Trainingsprogramm zu erstellen. Somit sind auch digitale Fahrrad-Wettbewerbe möglich. Das Übertragen der Daten ist heutzutage glücklicherweise so einfach, da das Übertragen auf den Fahrradcomputer kabellos stattfindet.
Wenn ein Fahrradcomputer dann auch noch über ein GPS-System verfügt, ist der Übergang zu einem Fahrradnavigationsgerät gemacht. Spätestens wenn das Gerät in der Lage ist, zu navigieren und den Track bzw. die Route auf einer Karte zu zeigen, würde ich von einem Fahrradnavigationsgerät sprechen.
Heute sind zahlreiche Fahrradcomputer auf dem Markt, von preiswerten Einsteigermodellen mit nur wenigen Funktionen bis zu 1.000 EUR teuren Fahrradcomputern für den beruflichen Rennradfahrer. Bitte beachte: Je mehr Funktionen, umso schwieriger der Einstieg und umso diffiziler die Handhabung. Meist geben dir Fahrradcomputer Tests auch schon reichlich Aufschluss und bieten dir Entscheidungshilfen.
Die meisten Fahrradcomputer verfügen über aktuelles Kartenmaterial, so dass Du keine zusätzlichen Karten kaufen musst. Diese werden auch regelmäßig aktualisiert. Quelle für die Karten ist das weltweite OpenStreetMap Projekt (OSM), das frei nutzbare Geodaten sammelt, strukturiert und für die Nutzung durch jedermann in einer Datenbank vorhält (Open Data).
Welches Gerät ist nun für dich das richtige? – Der Fahrrad Computer Test
Das hängt – wie immer – davon ab, wofür du den Fahrradcomputer benutzen möchtest und welche Funktionen du benötigst. Ein Fahrradcomputer ist deutlich preiswerter als ein Navigationsgerät.
Inzwischen haben diese Geräte große Konkurrenz durch zahlreiche Apps auf dem Smartphone bekommen. Das ist auch mein erster Tipp für Laien und Anfänger: Installiere doch erst mal eine kostenlose Navi-App (Empfehlung: „komoot“), um herauszufinden, ob überhaupt eine digitale Navigation während des Fahrradfahrens für dich nützlich ist oder ob es dich eher nervt. Ich habe immer wieder Gäste, die weiterhin auf eine gute Radkarte oder eine detaillierte Wegbeschreibung schwören. Das Angebot an guten Fahrradkarten ist über die Zeit auch stark gewachsen. Und wie schon oben erwähnt: beim Knotenpunktsystem, welches bei uns am Niederrhein im Aufbau, in Belgien, Luxemburg und Holland Standard ist, brauchst du eigentlich nichts: keine Karte und keinen Fahrradcomputer.
Es gibt Nachteile der App-Smartphone-Lösung, die zu bedenken sind. Ein Smartphone wurde nicht für den Außeneinsatz konstruiert. Das Display lässt sich bei starker Sonneneinstrahlung nicht so gut lesen, der Akku-Verbrauch beim Navigieren ist sehr hoch, und nässeempfindlich sind die Geräte auch noch. Aber natürlich gibt es dafür auch Lösungen: Benutze ein Outdoor-Smartphone (oder eine Schutzhülle) und nimm auf der Radtour eine Powerbank zum Nachladen mit.
Wenn Du Dich jetzt für den Kauf eines Fahrradcomputers entschieden hast, empfehle als Einstieg die Website naviso.de von Thomas Froitzheim. Thomas war früher verantwortlich beim ADFC Bundesverband für das Thema GPS. Auf seiner Website behandelt er nahezu alle Themen zur Fahrrad-Satelliten-Navigation. Er gibt auch GPS-Kurse (auch online) zu Smartphone-Navigation, Routenplanung, Geräte-Info, etc. Und schau doch mal, was der örtliche ADFC macht. Der ADFC Düsseldorf wird z.B. – sobald die Corona-Pandemie es zulässt – wieder Kurse zur satellitengestützten Fahrradnavigation anbieten.
Und sprich mit Radfahrenden, die ein solchen Fahrradcomputer schon nutzen. Die haben sicherlich viele Tipps und Hinweise. Vielleicht gibt es in deinem Bekannten- und Freundeskreis jemanden, die oder der Dir mal ein Gerät für eine Woche leiht. Diese Möglichkeit bieten auch manche Fahrradläden an.
Ich persönlich habe seit drei Jahren ein Garmin Edge 1300 im Einsatz, vorher hatte ich auch schon andere Garmin-Geräte. Ich komme mit dem Fahrradcomputer gut zurecht. Das Fahrradnavi ist robust, hat schon ein paar Stürze überlebt, und ich kann individuelle Karten von Open-Street-Map auf dem Gerät installieren. Es hat aber auch einige Funktionen, wie beispielsweise Herzfrequenz-Messung.
Auf unserer letzten großen Radreise – wir waren sechs Wochen kurz vor dem Corona-Ausbruch in Vietnam von Hanoi nach Saigon unterwegs – hat der Fahrradcomputer uns über die kleinsten Wege und Straßen geführt, so, dass wir nur ganz selten und wenn überhaupt nur wenige hundert Meter auf dem berüchtigten Asian Highway 1 radeln mussten.
Wenn du bei Launer-Reisen eine Reise buchst, erhältst du auf Wunsch auch die jeweiligen GPS-Tracks zur Radreise, die Du auf Dein Fahrradcomputer oder Smartphone laden kannst. Damit kannst du dann auch mal unabhängig von Gruppe und Reiseleiter unterwegs sein.
Ich freue mich über deine Meinung, Erfahrungen und Tipps zum Fahrradnavi bzw. Fahrradcomputer. Schreib doch gerne was in das Kommentarfeld.
2 Kommentare zu „Fahrradcomputer – Keine Radtour mehr ohne Navi“
Nach meiner Erfahrung taugen die Outdoorgeräte nicht für eine Navigation analog zum Auto, was vermutlich am Kartenmaterial liegt (nicht richtig routingfähig); darüber hinaus ist der Zweck für mich nicht in erster Linie, schnell von A nach B zu kommen. Velmehr sehe ich den Sinn darin, eine mir zuvor unbekannte Tour aufs Gerät zu laden und diese Tour dann zu fahren. Im deutschsprachigen Raum gibt es einige Portale, die sowohl von Nutzern als auch z.T. von Fremdenverkehrsstellen/Tourismusverbänden mit Touren bestückt werden. Das größte dürfte wohl Outdooractive sein.
Ich selbst habe das Garmin Oregon 700.
Ich habe ebenfalls eine Fahrradreise ins Ausland gemacht. Mit dem Rad von Bergen nach Dänemark. Ich würde jedem ein Navi für eine längere Radtour empfehlen. Wichtig ist, dass im Vorfeld auch eine gute GPS Vermessung stattgefunden hat, damit das Navi dann auch gut funktioniert.